Am 21. April 2023 kommunizierte die Deutsche Bundesbank in einer Pressenotiz die Bestände bei den Geldvermögen und Verbindlichkeiten der privaten Haushalte zum Jahresende 2022. In den beiden letzten Jahren – 2021 und 2022 – wurden die jeweiligen Pressenotizen zum Anlass genommen, die Zahlen in einem makroökonomischen Zusammenhang zu interpretieren. Dieses Mal haben die Nachwirkungen der Pandemie, die geopolitischen Verwerfungen und Zinserhöhungen der EZB zu einigen Turbulenzen geführt, die sich in den Positionen der Geldvermögen, der Verbindlichkeiten, der Nettogeldvermögen (NGV) als deren Differenz bei den privaten Haushalten Deutschland offenbaren.
Hinter den beiden Links werden von der Deutschen Bundesbank die Geldvermögen und die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte quartalsweise ausgewiesen. 2022 sanken die Geldvermögen um 4,9 %, die Verbindlichkeiten stiegen um 4,5 %. Das NGV der privaten Haushalte reduzierte sich 2022 gegenüber 2021 um 462,1 Mrd. Euro. Die Verbraucherpreise stiegen 2022 gegenüber 2021 um 6,9 %, die Reallöhne sanken um 4 %, nachdem sich die Reallöhne bereits in den letzten beiden Krisenjahren 2020 und 2021 rückläufig entwickelt hatten. Während im Jahr 2020 insbesondere der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit zur negativen Nominal- und Reallohnentwicklung beigetragen hatte, zehrte 2021 und 2022 die hohe Inflation den Nominallohnanstieg auf. 2022 erlitt Deutschland massive Wohlstandsverluste. Das ifo Institut schätzt den Realeinkommensverlust auf etwa 110 Mrd. Euro.
In der Vergangenheit bis 2019 konnte sich Deutschland als Mitglied der Eurozone und die Goldene Lohnregel missachtend, auf den Außenbeitrag verlassen. Nichts anderes ließ die Schwarze Null gedeihen, ohne dass Deutschlands Nationaleinkommen abschmierte.
Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist im Jahr 2022 um 116 Milliarden Euro auf 162 Milliarden Euro gesunken. Den Einnahmen in Höhe von 2,35 Billionen Euro standen Ausgaben in Höhe von 2,19 Billionen Euro gegenüber. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sank der Saldo um 3½ Prozentpunkte auf 4¼ %. Dies ist der größte Rückgang seit der deutschen Wiedervereinigung und der niedrigste Wert seit 2003.
Durch die Sabotage von Nord Stream 1 & 2 ist Deutschland auf unbestimmte Zeit einer sicheren und preiswerten Energieversorgung beraubt, die es der in Deutschland beheimateten energieintensiven Industrie erschwert, im Ausland ihre Produkte zu verkaufen. Die BASF in Ludwigshafen hat für ihren dortigen Standort erste Konsequenzen gezogen. Wer glaubt, das damit eingesparte Kohlenstoffdioxid (CO2) dient dem Klimaschutz, der irrt. Es findet eine Verlagerung von Produktion statt, weg von Deutschland in den Rest der Welt. Klimaschutz gelingt dann, wenn fossile Energieträger unangetastet im Boden verbleiben.
Jetzt ist die Stunde des Staates gekommen. Er muss gestalten in Form von Investitionen und Umverteilung. Die öffentliche Hand muss höhere Defizite fahren! Zum Jahresende 2022 war der Öffentliche Gesamthaushalt (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte) beim nicht-öffentlichen Bereich mit 2,37 Billionen Euro verschuldet, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt.
Neben der gestiegenen Bestandsgröße ist auch der Blick auf die Stromgrößen (Finanzierungssalden) wertvoll. Die vermehrt auszugebenden Staatsanleihen finden ihre dankbaren Nehmer, da das aktuelle Kapitalmarktdesign nicht ohne die permanente Produktion neuer Staatsanleihen, also Staatsschulden, funktionieren kann. Aufgabe der Zentralbanken in Zeiten steigender Leitzinsen ist es, Stabilisierungsarbeit zu leisten, um den Zusammenbruch des Gesamtsystems zu verhindern. Japan lebt es vor, was zu tun ist, wenn sich die Privaten nicht verschulden wollen, können und das Ausland als Ausputzer keine Option ist.
Die gestiegenen Marktzinsen und Lebenshaltungskosten lassen den privaten Wohnungsbau in die Knie gehen. Private Investoren, wie z.B. Versicherungen und Pensionskassen, haben sich mit ihrem Neugeschäft vom Wohnimmobilienmarkt zurückgezogen, da die überwundenen Nullzinsen attraktivere Investitionsmöglichkeiten bieten. Es bleibt spannend, wie Deutschlands Kreditinstitute damit umgehen. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken dominiert der wohnwirtschaftliche Immobilienkredit das Kreditbuch. Eine drohende Kreditklemme auf mikro- und makroökonomischer Ebene muss abgewendet werden, will man nicht sehenden Auges einen massiven Wohlstandsverlust erleiden.
Die privaten Verbraucher sind damit beschäftigt, ihre Reallohnverluste zu kompensieren. Das Schauermärchen einer Lohn-Preis-Spirale geistert durch die Medien und wird von vielen Entscheidungsträgern auch in der EZB verbreitet, doch entbehrt es jeder Evidenz. Was neben gestiegenen Energie- und Erzeugerpreisen für gestiegene Lebenshaltungskosten sorgt, sind die weiter gestiegenen Unternehmensgewinne, die vom Verbraucher, also dem Käufer, ermöglicht wurden. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass hohe Unternehmensgewinne nicht wegkonkurriert werden, da Unternehmen mit unterschiedlich hoher Preissetzungsmacht gesegnet sind und diese auch für sich zu nutzen wissen. Die Gewerkschaft der Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank (IPSO) wirft der Notenbankführung eine einseitige Haltung zulasten der Arbeitnehmer vor, sprich das vorherrschende Narrativ ignoriert die eigenen Forschungsergebnisse.
Abschließend ist noch zu erwähnen, dass die Zahlen zum Geldvermögen, den Verbindlichkeiten und dem NGV nichts über die Verteilung in der Bevölkerung aussagen. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten lassen immer mehr Bürger in die Verschuldung rutschen, da sie schon vorher keine bzw. kaum monetären Ressourcen besaßen. Die historisch niedrigen Kreditausfälle bei Deutschlands Kreditinstituten dürften der Vergangenheit angehören. In einer Zeit wie dieser ist es von Vorteil, wenn die Verantwortlichen sich durch Sachverstand auszeichnen in puncto Geldordnung und volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Die Schwäbische Hausfrau eine Kunstfigur bleibt, die auf mikroökonomischer Ebene gelegentlich ihre Berechtigung hat, in der Volkswirtschaft allerdings nichts verloren hat. Denn dort richtet sie nur Schaden an.
Autor: Jan Schulz
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