Die Inflation ist zurück – zumindest in der öffentlichen Debatte. Nachdem die Inflationsrate in Deutschland in den letzten Jahren sehr niedrig gewesen ist, dominiert sie spätestens seit Anfang 2022 die Schlagzeilen. Das Statistische Bundesamt weist aktuell eine Inflationsrate von ca. 8% aus. Diese ist damit deutlich über dem Inflationsziel im Euroraum von zwei Prozent. Viele merken es beim täglichen Einkauf und insbesondere beim Blick auf die Energiekosten: einige Güter sind zum Teil deutlich teurer geworden.
Viel wird aktuell über die Ursachen der Inflation geschrieben und wie man sie bekämpfen könnte. In dieser Textreihe der Pufendorf-Gesellschaft soll ein genereller Überblick über das Thema Inflation gegeben werden.
Zunächst gehen wir zurück zum Begriff der Inflation und seiner Bedeutung. Unter Inflation versteht man den allgemeinen Anstieg des Preisniveaus, also den Preisanstieg der in Deutschland konsumierten Güter und Dienstleistungen. In der Eurozone beträgt die Zielinflationsrate 2,0%. Die für Inflation zuständige EZB und die europäischen Regierungen versuchen mit ihrer Wirtschafts- und Fiskalpolitik diese Rate mittelfristig zu erreichen.
Eine leicht positive Inflationsrate ist in modernen Volkswirtschaften sinnvoll, da so ein genereller Anreiz für Investitionen und Konsum gegeben ist – schließlich wird ja alles immer teurer, da kaufen wir besser heute als morgen. Sollte das Preisniveau fallen, so haben Unternehmen und Haushalte eher den Anreiz, ihre Investitionen und ihren Konsum in die Zukunft zu verlagern, da Güter mit der Zeit günstiger werden. Dies würde wohl die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einbrechen lassen und zu einer Rezession führen. Daher ist es sinnvoll, eine leicht positiven Inflationsrate als Ziel zu setzen.
Wie ermittelt man die Inflationsrate?
Die gängigste Erhebung in Deutschland ist der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts. Diesen ermittelt das Amt, indem die Preise für einen repräsentativen Warenkorb erfasst werden und mit den Preisen des Warenkorbs aus dem Vorjahresmonat verglichen werden. Mit statistischen Methoden wird der Warenkorb repräsentativ gewichtet und Innovation und Produktveränderungen berücksichtigt. Wie viele Messgrößen ist damit der Verbraucherpreisindex eine Annäherung an die Realität. Weicht das Konsumverhalten vom repräsentativen Warenkorb ab, so kann die individuelle Inflationsrate auch höher oder niedriger sein als vom Statistischen Bundesamt angegeben. Die aktuellen Preissteigerungen treffen z.B. Haushalte, die mit Gas heizen, stärker als andere.
Die MMT-Theorie des Preisniveaus
Was aber bestimmt nun langfristig und nachhaltig die Veränderung des Preisniveaus also die Inflation? Die Modern Monetary Theory (MMT) liefert eine empirisch fundierte Theorie des Preisniveaus.
Da modernes Geld von Staaten geschaffen wird, steht auch der Staat im Zentrum der MMT Erklärung des Preisniveaus. Mit dem Währungsmonopol ausgestattet legt der Staat durch die Bezahlung seiner Angestellten und Güter, die er einkauft, das Preisniveau fest (Levey 2021, Mosler 2020).
Wie viel sind 10€ wert? Der Wert des Euros wird fundamental dadurch bestimmt, wie hoch der Lohn für eine Stunde Arbeit beim Staat ist. Erhöht der Staat seine Löhne, so müssen Unternehmen nachziehen, da sich sonst ihre Beschäftigten relativ verschlechtern würden. Die privaten Löhne folgen also den staatlichen Löhnen.
Wie kommen wir nun von den Löhnen zum Preisniveau und zur Inflation? Da Löhne der größte Kostenfaktor der Unternehmen sind, müssen höhere Löhne sich in höheren Produktpreisen auswirken. Dabei kommt es nicht auf die absolute Lohnentwicklung an, sondern auf die Lohnentwicklung im Verhältnis zur Produktivität – die sog. Lohnstückkosten.
Steigen die Löhne nominal um 4% und die Produktivität um 2%, so steigen die Lohnstückkosten um 2%. Um genau 2% sollten dann auch die Güterpreise steigen, da die Unternehmer zwar 4% mehr Löhne zahlen müssen (die Kaufkraft der Kuchenesser steigt), die Arbeiter aber auch 2% produktiver sind (die Größe des Kuchens steigt ebenfalls). Die Lücke zwischen höheren Löhnen und höherer Produktivität müssen die Unternehmen als Preisanstieg umsetzen. Tun ise das nicht, machen sie langfristig Verluste. Außerdem sind dann die Regale im Supermarkt gegen Jahresende leer, weil zu den alten Preisen alles abverkauft wurde und immer noch Kunden mit Geld mehr kaufen wollen.
Diesen starken Zusammenhang sehen wir auch in den Daten:
Zeitlicher Verlauf der Lohnstückkosten (blau) und des Verbraucherpreisindex (blau) in den USA (Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis)
Dieser Zusammenhang ist nicht nur in den USA zu beobachten, sondern in allen entwickelten Volkswirtschaften:
Zusammenhang zwischen Lohnstückkosten und Inflationsrate für OECD Länder (jeder Punkt ist der Durchschnitt des Lohnstückkostenanstiegs und der Inflation)
Der Staat als Ankersetzer des Preisniveaus
Warum aber setzt der Staat das Preisniveau und die Privatwirtschaft muss nachziehen? Das wird deutlich, wenn wir uns zwei theoretische Extremfälle ansehen.
Stellen wir uns vor die Bundesregierung möchte das Preislevel auf das Niveau der 1960er Jahre zurückbringen (Annahme: Deutschland hat seine eigene Währung). Um das zu erreichen, würde die Bundesregierung ab morgen ihre Angestellten und Beamten nur noch so viel Gehalt zahlen wie in den 1960ern. Auch für Güter, die der Staat einkauft, werden nun mehr nur noch die Preise aus den Sechzigern gezahlt. Selbstverständlich würden kaum Unternehmen mehr an den Staat ihre Güter verkaufen wollen, weil der Staat nun viel zu wenig dafür bezahlt. Auch Angestellte und Beamte wollen so nicht mehr für den Staat arbeiten. Daher sinken die Staatsausgaben rapide. Der Staat nimmt aber weiterhin Geld durch Steuern ein. Dadurch entzieht er der Volkswirtschaft Geld, sodass die Unternehmen unter Preisdruck geraten.
Löhne und Preise beginnen zu fallen. Nach einer gewissen Zeit ist das Preisniveau so niedrig, wie die Bundesregierung es haben wollte. Ab diesem Punkt wird es für Unternehmer wieder lukrativ an den Staat zu verkaufen und Menschen werden wieder staatliche Arbeitsplätze annehmen. Nun steigen die Staatsausgaben wieder und der Preisverfall wird gestoppt. Der Staat hat so das Preisniveau gesenkt. Das Beispiel zeigt auch, dass der Staat der Anker des Preisniveaus ist, da die Preise ab dem Zeitpunkt nicht mehr fallen, ab dem der Staat wieder bereit ist für Löhne und Güter zu bezahlen.
Auch in die andere Richtung können wir das theoretische Beispiel denken. Nun will die Bundesregierung ab morgen doppelt so viel für Güter und Löhne bezahlen. Plötzlich ist der Staat ein sehr attraktiver Kunde und Arbeitgeber. Alle Unternehmen möchten ihre Güter an den Staat verkaufen und auch alle Arbeitnehmer für ihn arbeiten. Die Knappheit, die dadurch im privaten Markt entsteht, führt dazu, dass Löhne und Güterpreise auch in der Privatwirtschaft steigen. Die Preise steigen so lange, bis sie das höhere Niveau der staatlichen Löhne und Güterpreise erreicht haben und stabilisieren sich dann wieder.
Durch diese beiden Beispiele wird deutlich, dass der Staat das Preisniveau fundamental festlegt und die Privatwirtschaft dem Staat folgt. (Beide Beispiele sind natürlich nur theoretischer Natur und keine sinnvolle Wirtschaftspolitik.)
Nach dieser Einführung in die allgemeine Theorie der Inflation und des Preisniveaus der MMT, werden in den nächsten Teilen weitere Ursachen für Inflation diskutiert. Zwar sieht die MMT den Staat als zentralen und wichtigsten Akteur der Inflation, aber das bedeutet nicht, dass Inflation im Kanzleramt beschlossen wird. Inflation ist ein sehr komplexes Phänomen mit vielen verschiedenen Ursachen.
Referenzen
Levey, Sam. 2021. „Modeling Monopoly Money: Government as the Source of the Price Level and Unemployment.” Working Paper No. 992. Annandale-on-Hudson, New York: Levy Economics Institute of Bard College.
Mosler, Warren. 2020. “White Paper Modern Monetary Theory (MMT).” Available at: https://docs.google.com/document/d/1gvDcMU_ko1h5TeVjQL8UMJW9gmKY1x0zcqKIRTZQDAQ/edit
(verfasst von Leon Heckmann)
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