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Inflation verstehen Teil 3: Marktmacht getriebene Inflation

Wie bilden sich Preise in einer Wirtschaft und was führt zu Preisänderungen? Inflation ist ein sehr komplexes Phänomen mit vielen Ursachen und Wechselwirkungen. Nach der generellen Einführung in Teil 1 und den Auswirkungen von Preisveränderungen bei importierten Gütern in Teil 2 geht es in diesem Teil um die Auswirkungen von Marktmacht auf Inflation.



Märkte sind nicht gleich Märkte: der Markt für Brötchen ist ein anderer als der für Autos oder der für Zugfahrten. ÖkonomInnen differenzieren Märkte vor allem nach dem Grad der Konkurrenz, die im Markt herrscht. In der Neoklassik gilt dabei ein Markt mit vollständiger Konkurrenz als Idealfall: viele Produzenten treffen auf viele Konsumenten. Durch die große Anzahl an Käufern und Verkäufern hat kein Einzelner ausreichend Marktmacht, um den Preis allein zu bestimmen. In diesem Idealfall bildet sich der Preis optimal.


Doch nicht in allen Märkten herrscht vollständige Konkurrenz. In vielen gibt es nur wenige oder gar nur einen Anbieter – man spricht von Oligopolen und Monopolen. In diesen Märkten verfügen die Unternehmen über so viel Marktmacht, dass sie die Preise nach oben treiben können, da es kaum andere Anbieter gibt, die ihnen Konkurrenz machen können.


In manchen Märkten sind Oligopole oder Monopole unvermeidlich: das Bahnnetz funktioniert am besten mit einem Anbieter, sodass der Fahrplan abgestimmt Anschlüsse garantiert. Auch das Stromnetz ist ein Beispiel für ein natürliches Monopol. Es wäre sehr ineffizient, wenn alle Häuser an verschiedene Stromnetze angeschlossen würden je nachdem welcher Stromanbieter das Haus mit Strom versorgt. In anderen Fällen haben sich Oligopole über die Zeit entwickelt indem erfolgreiche Firmen immer mehr Wettbewerber übernommen haben. In den 1920er Jahren gab es z.B. in Deutschland Dutzende Automobilunternehmen, aber über die Zeit haben die erfolgreichen die weniger erfolgreichen zunehmend aus dem Markt gedrängt.


Damit die Marktmacht von Unternehmen nicht zu groß wird oder diese sich durch Kartellbildung bei der Preissetzung absprechen überwacht das Bundeskartellamt den Wettbewerb. Wettbewerbsgefährdende Übernahmen müssen vom Kartellamt genehmigt werden und es kann als letztes Mittel auch die Zerschlagung eines Kartells anordnen.

Obwohl das Kartellamt der Hüter des Wettbewerbs sein soll, entsprechen viele Märkte in Deutschland eher Oligopolen, als dem Ideal der vollständigen Konkurrenz. Daher können diese Unternehmen ihre Marktmacht für Preiserhöhungen nutzen, die wiederrum die Inflation erhöhen.


Eine aktuelle Studie des Ifo-Instituts zeigt, dass viele Unternehmen die aktuelle Energiekrise für Preissteigerungen genutzt haben, um ihre Profite zu steigern (Ragnitz 2022). Solche Preiserhöhungen sind dann besonders gut möglich, wenn die Unternehmen Marktmacht besitzen. Inflation kann daher auch durch Preiserhöhungen von Unternehmen verursacht werden, die dazu da sind die Profitrate zu erhalten oder zu erhöhen. Vieles spricht aktuell dafür, dass ein großer Teil der Preissteigerungen unabhängig von den Energiekosten ist, da viele Unternehmen aktuell Rekordgewinne melden.


Der amerikanische Ökonom Sam Levey lieferte dazu bereits Anfang letzten Jahres auf Twitter eine gute Erklärung. Anders als in vielen ökonomischen Modellen angenommen, sind Unternehmen in der Realität an einem guten Image und guten Kundenbeziehungen interessiert. Das bedeutet, dass sie nicht einfach so Preise erhöhen können, ohne eine Begründung für die Kunden zu liefern. Die allgemeinen Preissteigerungen können so eine gute Ausrede sein, um die Preiserhöhung zu begründen, auch wenn sie eigentlich nicht durch die höheren Kosten verursacht ist. So kann eine anfängliche Preissteigerung dafür genutzt werden, um die Preise noch weiter und in weiteren Bereichen zu steigern.


Unternehmensprofite können daher auch ein Grund für eine höhere Inflationsrate sein. Inflation ist ein komplexes Phänomen und immer auch eine Verteilungsfrage.


Referenzen

Ragnitz, Joachim. 2022. „Gewinninflation und Inflationsgewinner.“ Dresden: ifo Institut.https://www.ifo.de/pressemitteilung/2022-12-13/unternehmen-handel-bau-und-landwirtschaft-nutzten-inflation-um-gewinne


(Verfasst von Leon Heckmann.)

1 commentaire


Andreas B.
Andreas B.
21 mars

Ich habe die 3 Beträge zur Inflation gelesen und bin nach wie vor skeptisch ob, wie es ja auch die Neoklassik postuliert wird, Lohnsteigerungen tatsächlich zur Preisinflation führen, auch wenn es dazu Korrelationen gibt. Als Beispiel wäre da z.b. China:


Entwicklung der privat verfügbaren Einkommen (eine Statistik ab 1980 habe ich nicht gefunden)

https://de.tradingeconomics.com/china/disposable-personal-income


Entwicklung der Inflationsrate:

https://www.laenderdaten.info/Asien/China/inflationsraten.php


Ergänzend dazu:

https://www.project-syndicate.org/commentary/china-household-consumption-expenditure-is-probably-higher-than-official-figures-by-zhang-jun-2024-07/german


Die Neoklassik und ihre Märchen (z.b. say'sche Theorem) dürfte auch damit obsolet sein, daß China bekannterweise stets hohe Haushaltsdefizite (u.a. die bösen Wirtschaftssubventionen) sprich Staatsausgaben als Bruttoinlandsinvestitionen in private Sektoren aufweist und damit sein Wachstum antreibt. Z.b. hatte China (die von mir zusammen recherchierten Zahlen inkl. Querverweise sind mit meinem alten Tablet einen Softwaretot gestorben) 2017 ein Haushaltsdefizit von…


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