top of page

Leserbrief an Paul Steinhardt (Makroskop)

Vorstandsmitglied Erik Jochem hat einen Brief an Paul Steinhardt, den Herausgeber von Makroskop, geschrieben. Dieser hatte sich in einem Artikel mit der Geldschöpfung und dem Begriff der Schulden beschäftigt. Hier ist der Brief:


Sehr geehrter Herr Steinhardt,

unter Anknüpfung an diesen Beitrag https://makroskop.eu/der-wille-und-das-nichts-kein-stuck-von-schopenhauer/ möchte ich gerne versuchen, die von Ihnen für die Entstehung von Geld aufgeführten Beispiele „Kreditvergabe der Geschäftsbanken“ „Aktienkauf der Bank“ „Entstehung von Zentralbankguthaben“ auf einen Nenner zu bringen und zu zeigen, dass sie auf gemeinsamer Grundlage beruhen.

Zunächst zu Klarstellung des Kreditbegriffs:

Der sog. Bankkredit ist ein sog. Darlehensvertrag, mit dem durch zwei kongruente Willenserklärungen zwei sich gegenseitig bedingende Verbindlichkeiten geschaffen werden: Die Verpflichtung der Bank zur Verschaffung eines bestimmten Geldbetrages in Zentralbankgeld und die Verpflichtung des Kunden zur zeitlich gestaffelten (Rück-)Verschaffung desselben Geldbetrages in Zentralbankgeld zzgl. Zinsen.

In der Bilanz der Bank erscheint die Rückverschaffungspflicht des Kunden als Asset, die eigene Verschaffungspflicht als Verbindlichkeit, nämlich als „Guthaben“ auf dem Konto des Kunden bei der Bank, das als Verbindlichkeit in Wahrheit nur ein Zahlungsversprechen darstellt.

Der Bankkredit ist damit nichts anderes als ein Assetkaufvertrag (der kreditwürdige Kunde schafft mit seiner Unterschrift ein Asset für die Bank).

Das noch nicht erfüllte Zahlungsversprechen hat Geldfunktion insoweit als jeder Kunde eigenes Guthaben an andere Kunden derselben Bank zur Erfüllung von Geldschulden übertragen kann. Er tritt das Zahlungsversprechen der Bank in Höhe der Geldschuld an den anderen ab. Für die Bank ändert sich durch die Umbuchung nichts: Sie schuldet nachher noch genauso viel Zentralbankgeld wie vorher, nur anders verteilt.

Für Barauszahlungen oder Überweisungen auf bankfremde Konten kommt hingegen die Verschaffungspflicht der Bank zum Tragen: Zur Erfüllung ihres Zahlungsversprechens braucht sie Zentralbankgeld.

Für den Aktienkauf der Bank gilt genau dasselbe. Ausgangspunkt ist auch hier ein Assetkaufvertrag. Unterhält der Verkäufer ein Konto bei der ankaufenden Bank, weist die Bank auf seinem Konto als Kaufpreis ihr eigenes Zahlungsversprechen auf Verschaffung von Zentralbankgeld aus. Hat der Verkäufer sein Konto bei einer anderen Bank, benötigt die ankaufende Bank sofort Zentralbankgeld zur Bezahlung.

Der Satz, dass die Bank für den Aktienankauf „Geld produziert“ ist also mE. unzutreffend. Sie schafft die eigene Verbindlichkeit, Zentralbankgeld zu verschaffen. (Eine Möglichkeit, die übrigens jederman freisteht, weshalb es Insolvenzverfahren gibt).

Auch Zentralbankguthaben entstehen stets als Folge von Assetgeschäften der ZB. Der Unterschied zu Geschäftsbankguthaben besteht allerdings darin, dass das von der ZB im Assetkaufvertrag eingegangene Zahlungsversprechen auf Verschaffung von Zentralbankgeld durch die Zubuchung auf dem ZB-Konto unmittelbar erfüllt ist.

Die von Ihnen angesprochene theoretische Möglichkeit einer Gutschrift der ZB auf dem ZB-Konto des Finanzministeriums ohne Gegenleistung (wie es etwa die Begebung einer Staatsanleihe unmittelbar an die ZB wie in Kanada wäre) scheidet damit m.E. aus. Geld oder Zahlungsversprechen auf Geld entstehen immer gegen Gegenleistung, nie auf Schenkungsbasis. Die Gutschrift ohne Gegenleistung stellt keinen buchungsfähigen Geschäftsvorfall der ZB dar.

Hingegen ist die Überziehung des ZB-Kontos des Finanzministeriums (Zahlung ohne Guthaben) im Rahmen institutioneller Festlegungen möglich. Hier handelt es sich quasi um institutionalisierte Kreditabsprachen.

Festhalten können wir danach, dass Geld und Geldsurrogate (wohl Knapps definitives und provisorisches Geld) zwar nicht „durch Kredite“ sehr wohl aber durch Rechtsgeschäfte nach dem Muster des Kaufvertrages entstehen, bzw. dass ihre Entstehung stets ein Rechtsgeschäft voraussetzt.

Geld ist daher keine isolierte Sache, sondern stets Frucht einer Austauschbeziehung zwischen Personen. Es gibt auch kein Geld, dass keiner Person zugeordnet wäre - selbst vergrabenes Geld wartet auf seinen Finder.

Allerdings enthalten alle Rechtsgeschäfte, die Geldsurrogate, nämlich Zahlungsversprechen, hervorbringen, immer auch ein Kreditelement, nämlich die Erwartung, sich in Ansehung der eigenen Leistung auf das Zahlungsversprechen des anderen und umgekehrt verlassen zu können.

Diese gegenseitige Kreditwürdigkeit (Kredit wohl von credere – glauben), die Fähigkeit, Verträge zu schließen, ist tatsächlich die Grundlage der Entstehung von Geld, insbesondere von Geldsurrogaten.

Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt.

Mit freundlichen Grüßen

Erik Jochem


173 Ansichten

Comments


bottom of page