Der deutsch-argentinische Ökonom Silvio Gesell (1862-1930) war ein Kaufmann und Ökonom sowie Begründer der Lehre vom Freigeld (welches in Deutschland von der INWO befürwortet wird). Interessanterweise sind einige von Silvio Gesells Ideen kompatibel mit dem, was auch wir vertreten. Gesell (1949) schreibt in seinem Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung":
4.3 Wie das Freigeld verwaltet wird
Nachdem das Freigeld in Umlauf gesetzt und das Metallgeld außer Gebrauch erklärt worden ist, wird es sich für das Reichswährungsamt nur mehr darum handeln, das Tauschverhältnis des Geldes zu den Waren (allgemeiner Preisstand der Waren) zu beobachten und durch Vermehrung und Verminderung des Geldumlaufs den Kurs des Geldes fest auf ein genau bestimmtes Ziel, die Festigkeit des allgemeinen Preisstandes der Waren, zu lenken. Als Richtschnur dient dem Reichsgeldamt die im 3. Teil d. B. besprochene Statistik für die Ermittelung des Durchschnittspreises aller Waren. Je nach den Ergebnissen dieser Ermittelung, je nachdem der Durchschnittspreis Neigung nach
oben oder nach unten zeigt, wird der Geldumlauf eingeschränkt oder erweitert (2).
Um die Geldausgabe zu vergrößern, übergibt das Reichswährungsamt dem Finanzminister neues Geld, der es durch einen entsprechenden Abschlag von allen Steuern verausgabt. Betragen die ein-
zuziehenden Steuern 1000 Millionen, und sind 100 Millionen neues Geld in Umlauf zu setzen, so wird von allen Steuerzetteln ein Abzug von 10% gemacht.
Das ist eine einfache Sache, aber noch einfacher wird die Verminderung des Geldumlaufes sein. Denn da die Gesamtmenge des Geldes durch den Umlaufsverlust um 5% jährlich abnimmt, so
braucht man, um den Geldbestand zu vermindern, überhaupt nichts zu tun. Der etwaige Überschuß verbraucht sich selbsttätig. Genügt das aber nicht, so kann durch Steuerzuschlag nachgeholfen werden. - Der Zweck läßt sich auch erreichen, indem das Währungsamt Staatsschuldscheine kauft und verkauft.
Das Reichswährungsamt beherrscht also mit dem Freigeld das Angebot von Tauschmitteln in unbeschränkter Weise. Es ist Alleinherrscher, sowohl über die Geldherstellung, wie über das Geldangebot.
Unter dem Reichswährungsamt brauchen wir uns nicht ein großartiges Gebäude mit Hunderten von Beamten vorzustellen, wie etwa die Reichsbank. Das Reichswährungsamt betreibt keiner-
lei Bankgeschäfte. Es hat keine Schalter, nicht einmal einen Geldschrank. Das Geld wird in der Reichsdruckerei gedruckt; Ausgabe und Umtausch geschehen durch die Staatskassen; die Preisermittelung findet im Statistischen Amt statt. Es ist also nur ein Mann nötig, der das Geld von der Reichsdruckerei aus an die Staatskassen abführt, und der das für währungstechnische Zwecke von den Steuerämtern eingezogene Geld verbrennt. Das ist die ganze Einrichtung. Eine Presse und ein Ofen. Einfach, billig, wirksam. (6)
Bei der Frage der Inflationssteuerung weicht Gesell ab von moderneren Ideen. Er will den Geldumlauf regulieren, um den allgemeinen Preisstand der Waren zu stabilisieren. Das ist eher kompatibel mit den Ideen von Milton Friedman, der ebenfalls eine Geldmengenregel vorschlug (Monetarismus).
Interessanter wird es, wenn Gesell vorschlägt, den "Überschuss" oder "Mangel" an Geldmenge dadurch zu verändern, "indem das Währungsamt Staatsschuldscheine kauft und verkauft". Hier wird sehr deutlich, dass nach Gesell die Ausgabe von Staatsschuldscheinen nicht zur "Finanzierung" – Generierung von Einnahmen zwecks Tätigung von Ausgaben später – dient. An- und Verkauf von Staatsanleihen dienen zur Regulierung der Liquidität, also der Menge an staatlichem Geld.
Gesell erkennt auch, dass das Reichswährungsamt (modern: Finanzministerium) Alleinherrscher (modern: Monopolist) des Geldes ist und somit das Geldangebot bereitstellt. Es ist logisch, dass damit Staatsausgaben gemeint sind abzüglich der Steuerzahlungen, die das Geldangebot entsprechend reduzieren. Der letzte Absatz des obigen Zitates macht dies deutlich. Nur ein Mann wäre nötig, dass gedruckte Geld von der Druckerei in die Staatskasse zu tragen. Steuerzahlungen führen dann zur Vernichtung des staatlichen Geldes, welche zurück in seinen Besitz gelangt. Gesell selbst scheint aber diesen Mechanismus nicht zu unterstützen, da er später folgendes ausführt:
Ich hätte mir die Sache auch leicht machen können, ähnlich wie andere, die sich mit dem Papiergeldrätsel abgeplagt haben; ich hätte sagen können, der Staat fordere die Bezahlung der von ihm
ausgeschriebenen Steuern und Bußen in Geldpapier. Wenn der Staat z. B. Briefmarken nur gegen von ihm verfertigtes Geldpapier verkauft, wenn er die Bahngelder nur in seinem Geldpapier einfor-
dert, wenn man die Zölle, das Kirchengeld, das Schulgeld, das Holz der Staatsforsten, das Salz der Staatssalzwerke usw. nur mit staatlichem Papiergeld zahlen kann, so wird jeder ein solches Papier als etwas sehr Kostbares aufbewahren und es nicht unentgeltlich abgeben. Der Staat liefert dem Inhaber statt Gold Staatsleistungen. Eine vielgestaltige statt einer eingestaltigen Leistung. Dann wären es diese Leistungen, die dem Papiergeld Leben geben.
Dies ist sicherlich eine Anspielung auf Die Staatliche Theorie des Geldes von Georg Friedrich Knapp, die 1905 veröffentlicht wurde. Übrigens werden sowohl Gesell als auch Knapp in der Allgemeinen Theorie von John Maynard Keynes erwähnt, der aber in seinem Werk Vom Geldes von 1930 viel detaillierter über die Geldschöpfung schreibt.
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